Abstracts
Dozenten und Abstracts
Freitag 29.10.2021 – 9:30 Uhr
Von Orchideen und ihrer Pflege –
Neuropsychologie in der Neuropädiatrie
Abstract
Die pädiatrische Neuropsychologie stellt ein «Orchideenfach» der Neuropsychologie dar.
Sie ist selten: Neuropsychologische «Teams» in der Neuropädiatrie bestehen häufig aus einer Person, das grösste Team der Schweiz besteht aus 7 Personen, welche sich 450 Stellenprozent teilen.
Sie ist bunt: In der pädiatrischen Neuropsychologie werden Kinder und Jugendliche ab ca. 2 bis 18 Jahren versorgt. Das Arbeitsspektrum reicht von Nachsorgeuntersuchungen bei ehemals Extremfrühgeborenen über die Diagnostik von spezifischen oder unspezifischen Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten, die Diagnostik von neuropsychologischen Funktionsstörungen mit oder ohne fassbare neurologische Ursache, hin zur Therapie von neuropsychologischen Funktionsstörungen bei Kindern unterschiedlichster Entwicklungsstände.
Sie braucht viel Pflege: Kinderkliniken sind defizitär. Die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen ist aufwändig und kostet Geld, die Vergütung liegt jedoch weit unterhalb des Aufwandes. Daher ist ein «Nebenschauplatz» unserer Arbeit immer auch Marketing. Wir verhandeln und verteidigen Standards, suchen neue Finanzierungsquellen und passen uns immer wieder neu an wechselnde Rahmenbedingungen an.
Mit unserer Präsentation geben wir einen Einblick in das Berufsfeld der pädiatrischen Neuropsychologie. Es werden Zugangswege und die Ausbildung insbesondere in der Schweiz dargestellt, sowie Tipps für den Weg in die Neuropädiatrie. Wir beschreiben unser Tätigkeitsfeld im interdisziplinären Team und präsentieren Fälle aus dem ambulanten und stationären Setting.
Freitag 29.10.2021 – 9:30 Uhr
Gefahrstoffe und das Nervensystem:
Neuropsychologie in der Arbeitsforschung
Abstract
An modernen Arbeitsplätzen müssen nach wie vor chemische Arbeitsstoffe eingesetzt werden, um hinreichende Produktqualität oder saubere und hygienische Arbeitsbedingungen zu schaffen. Beispiele sind Reinigungs- und Desinfektionsmittel, in denen flüchtige Chemikalien wie Isopropylalkokol und Ethanol, als Lösungsmittel eingesetzt werden. Pestizide sind eine andere Gruppe von Chemikalien mit denen Arbeitende und Verbraucher in Kontakt kommen. Viele dieser Gefahrstoffe in der Arbeitswelt interagieren mit dem Nervensystem und werden (a) durch periphere Nerven wahrgenommen oder (b) modulieren die Funktion von Nervenzellen.
Bei der Erfassung derartiger Funktionsveränderungen kann die Neuropsychologie entscheidende Beiträge leisten, um präventiv Gefährdungen zu erkennen, neurotoxische Risiken zu minimieren oder diagnostische Beiträge im Rahmen der Anerkennung von Berufskrankheiten zu leisten.
Im Vortrag werden Beispiele zu diesen drei Aspekten vorgestellt und anschließend diskutiert.
Freitag 29.10.2021 – 10:00 Uhr
Ist das nicht total deprimierend? –
Neuropsychologie in der Geriatrie
Abstract
In der Geriatrie (= Altersmedizin) werden multimorbide Patient*innen, die älter als 65 Jahre sind, behandelt. Übergeordnete Ziele sind die weitestgehende Wiederherstellung der Selbständigkeit, Verminderung von Pflegebedürftigkeit und Verbesserung der Lebensqualität. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit des geriatrischen Teams hat somit einen sehr hohen Stellenwert.
Als Hauptzielgruppe behandeln Neuropsycholog*innen in der Geriatrie einerseits neurologische Patient*innen, die z.B. nach einem Schlaganfall neuropsychologische Defizite aufweisen. Zum anderen sehen wir Menschen nach akuten Erkrankungen oder Operationen, die durch eine Veränderung der geistigen Leistungsfähigkeit auffallen und hinsichtlich der Abklärung von demenziellen Syndromen differenzialdiagnostisch, z.B. in Abgrenzung zum Delir oder einer postoperativen kognitiven Störung, neuropsychologisch untersucht werden. Bei einem Teil der Patient*innen ist eine Demenz bereits als Vordiagnose bekannt und muss in der Behandlungsplanung berücksichtigt werden.
Der neuropsychologische Einsatzbereich ist breit gefächert. Er erstreckt sich von der Diagnostik kognitiver Störungen über (neuro-)psychologische Interventionen inkl. Maßnahmen zur Unterstützung der Krankheitsbewältigung, über die Beurteilung der Fahreignung oder Stellungnahmen zu rechtlichen Fragestellungen, wie z.B. die Empfehlung einer gesetzlichen Betreuung bei einem demenzkranken Menschen, bis hin zur Beratung der Angehörigen und Empfehlungen für die Weiterversorgung, letztere in enger Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst. Die Interventionen orientieren sich dabei eng an den Bedürfnissen und der Lebensrealität des/der jeweiligen Patienten*in.
Auch wenn wir mit teilweise schwer betroffenen, hochbetagten Menschen arbeiten, so ist die Tätigkeit keineswegs „total deprimierend“, wie der Vortrag an ausgewählten Patient*innenbeispielen und Stimmen aus dem Kolleg*innenkreis illustrieren soll. Angesichts der demografischen Entwicklung handelt es sich zudem sicherlich um ein Arbeitsfeld mit Zukunftsperspektive.
Freitag 29.10.2021 – 10:00 Uhr
Von Brad Pitt bis Klaus Störtebeker:
Neuropsychologische Forschung mit
Schnittpunkt zur Klinischen Psychologie
Abstract
Die Arbeit als Forscher auf dem Gebiet der Neuropsychologie und der kognitiven Neurowissenschaften ist ein spannendes Berufsfeld, das sowohl die Grundlagenforschung als auch die Arbeit mit Patienten beinhalten kann. Methoden wie das EEG oder bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanz Tomographie ermöglichen es den NeuropsychologInnen, die Grundlagen des gesunden Gehirns, aber auch verschiedene neuropsychologische Störungen auf der Basis von Hirnaktivierungen oder strukturellen Veränderungen des Gehirns zu charakterisieren und zu verstehen. Dabei können Erkenntnisse der neurowissenschaftlichen Forschung sehr gut auch als Startpunkt für Forschung und Erklärungsansätze in der Klinischen Psychologie genutzt werden.
In diesem Vortrag wird ein Einblick in diesen Bereich der neuropsychologischen Forschung gegeben. Dazu wird exemplarisch der Weg von der neuropsychologischen Forschung zur Prosopagnosie bis hin zur klinischen Forschung im Bereich Essstörungen, insbesondere der Anorexia Nervosa, aufgezeigt. Und es wird geklärt, was ein bekannter amerikanischer Schauspieler und ein kopfloser deutscher Seeräuber dazu beigetragen haben.
Freitag 29.10.2021 – 10:45 Uhr
Vom Schmieder-Abi zu systematischem Belastungsaufbau – Neuropsychologie in der stationären neurologischen Rehabilitation
Abstract
Auch wenn die Anzahl ambulanter Rehabilitationsleistungen in den letzten Jahren stetig zunimmt, so finden doch weiterhin mehr als 85% neurologischer Rehabilitationsmaßnahmen im stationären Kontext statt. Allein schon diese Zahl belegt die Bedeutung klinisch-neurologischer Rehabilitation. Der Fokus meines Berichts soll sich jedoch auf die inhaltlichen Herausforderungen in der täglichen, natürlich vor allem neuropsychologischen, Versorgung dieser Patienten richten.
Aus Sicht eines leitenden Neuropsychologen werden einzelne Rahmenbedingungen zur Erfüllung und Einhaltung bestmöglicher Prozess- und Ergebnisqualität, auch im interdisziplinären Kontext, beleuchtet. In diesem Zusammenhang wird auch speziell auf das Thema Fort- und Weiterbildung eingegangen.
„Von der Theorie zur Praxis“ werden genannte Strukturen und Abläufe exemplarisch anhand eines aktuellen Projekts zur systematischen Erfassung des Konstrukts „Belastbarkeit“ vorgestellt.
Freitag 29.10.2021 – 10:45 Uhr
Neuropsychologie in der Demenzforschung
Abstract
Der Beitrag „Neuropsychologie in der Demenzforschung“ ist ein biografischer Bericht über den Werdegang eines nicht-approbierten neuropsychologischen Wissenschaftlers. Angefangen mit der Entwicklung und Erforschung neuropsychologischer Testverfahren und deren diagnostischer Güte bei der Demenzerkennung, über die Erforschung alters- und demenzbedingter hirnstruktureller und hirnfunktioneller Veränderungen bis hin zu der Entwicklung optimierter Schilder für Demenzerkrankte und der Bereitstellung eines Risikobogens zur Einschätzung der Fahrtauglichkeit älterer Fahrerinnen und Fahrer verdeutlichen die vielen unterschiedlichen Projekte, wie eng die Neuropsychologie mit der Forschung zusammenhängen kann, ohne primär heilkundliche Zwecke zu erfüllen.
Freitag 29.10.2021 – 11:15 Uhr
Von Theorie bis Teamarbeit –
Neuropsychologie in Hochschulambulanz & Tagesklinik
Tagesklinik für neurologische Komplexbehandlung und Nachsorge
Abstract
Zwei Einrichtungen der nachstationären Behandlung und Versorgung von Menschen mit konkreten Beispielen werden beschrieben und dargestellt, um einen Einblick in die langen Prozesse der persönlichen, sozialen und beruflichen Wiedereingliederung von Menschen mit erworbener Hirnschädigung zu geben. Die interdisziplinäre Teamarbeit, der gemeinsame Prozess der Zielfindung mit den Patienten sowie die Abstimmung der therapeutischen Inhalte im Team stellen die konzeptionellen Eckpfeiler des NeuroRehaTeams Pasing dar. Während die Indikationen im NeuroRehaTeam auf folgende beschränkt sind: Zustand nach Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Hypoxie, abgeschlossene Enzephalitis und Tumoroperationen, besteht in der neuropsychologischen Hochschulambulanz die Möglichkeit Patienten auch mit entzündlichen Erkrankungen wie z.B. MS und auch Angehörige therapeutisch zu begleiten. Diese beiden Stellen ermöglichen mir die Patienten über einen langen Weg beim Wiederfinden der persönlichen Identität mit Integration der Einschränkungen und Grenzen der Teilhabe als Folge der Hirnschädigung therapeutische zu begleiten. Die soziale und berufliche Teilhabe mit Stärkung der Kompetenzen, der Rolle innerhalb der Familie, des Freundeskreises und im beruflichen Umfeld ist dabei die zentrale Zielsetzung. Das universitäre Umfeld bietet die Möglichkeit der wissenschaftlichen Begleitung von Diagnostik und Therapie, die Überprüfung der Wirksamkeit und Entwicklung von neuen Diagnostikinstrumenten und Interventionen sowie in der Lehre, Studenten für die klinische Neuropsychologie zu begeistern.
Ziele:
– Vorstellung des NRT und der Hochschulambulanz
– Konzepte, Klienten, Rolle der Neuropsychologie
– Förderung des therapeutischen Prozesses durch interdisziplinäre Zusammenarbeit
– Langfristige Begleitung sowie therapeutische Unterstützung auch nach fünf Jahren
– Angehörigenarbeit
Ziel ist es in einem interaktiven Prozess mit den Teilnehmern die beiden Institutionen und Konzepte mit ihren therapeutischen Möglichkeiten und Grenzen im Kontext der individuellen Situation der Patienten zu betrachten. Dabei wird die zentrale Rolle der klinischen Neuropsychologie in der Versorgung betrachtet sowie die Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung dargestellt.
Freitag 29.10.2021 – 11:15 Uhr
Neuropsychologische Forschung in der Psychiatrie
Abstract
Der Beitrag „Neuropsychologische Forschung in der Psychiatrie“ ist die sehr subjektive Darstellung des Berufsfeldes eines Neuropsychologen, der in einer psychiatrischen Klinik eine Forschungsabteilung leitet. Zum einen sollen die konkrete Tätigkeit und die damit verbundenen Aufgaben und Projekte dargestellt werden. Besonders beleuchtet werden hier die Themenschwerpunkte „Neuropsychologie der Depression“, „Neuropsychologie und Achtsamkeit“, „Fragebogenentwicklung“ und „Emotionsregulation“. Am Beispiel einer fMRT-Studie über die Verarbeitung traumatischer Lebensereignisse bei Patientinnen mit Borderline Persönlichkeitsstörung wird dargelegt, wie grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse zur Formulierung klinischer Fragestellungen beitragen und klinische Forschung motivieren. Zusätzlich wird aber auch der eigene Werdegang mit den entscheidenden Weichendarstellung kritisch reflektiert: Welche Entscheidungen waren auf diesem Weg hilfreich und an welchen Stellen würde ich mich mit dem Wissen von heute anders entscheiden?
Freitag 29.10.2021 – 14:00 Uhr
Neuropsychologie in der Aus- und Weiterbildungsreform
Abstract
Am 24.04.2021 wurde die Klinische Neuropsychologie im Kontext einer umfassenden Reform der Psychotherapie-Aus-und Weiterbildung als Gebietsweiterbildung mit eigenem fachlichen wie sozialrechtlichen Versorgungsauftrag etabliert.
Die „eigene Säule“ in der neuen Weiterbildungsordnung der Psychotherapeutenkammern ist eine Anerkennung der klinischen Neuropsychologie als eine spezifische Psychotherapie für Menschen mit Hirnfunktionsstörungen, um die wir über 20 Jahre gekämpft haben. Für unsere „alten Hasen“, die damit konfrontiert wurden, dass man Neuropsychologie im günstigen Fall als Fortbildung für Verhaltenstherapeut*innen, im weniger günstigen als ein kaum psychologische Kenntnisse erforderndes Hirnleistungstraining einordnen wollte, ist die Dimension dieses Erfolges nachvollziehbar. Jüngeren stellen sich viele Fragen:
- Warum führt die Weiterbildung in Klinischer Neuropsychologie nicht zur Approbation?
- Warum gibt es eine GNP-Weiterbildung Klinische Neuropsychologie, eine Weiterbildungsordnung der Psychotherapeutenkammern und eine Gebietsweiterbildung Neuropsychologische Psychotherapie – statt „einem großen Ganzen“?
- Musste der Weg so kompliziert sein – und ist er künftig überhaupt „einfach“ bzw. klar?
- Welche Probleme mit der Weiterbildung gibt es – generationsabhängig – zu lösen und was braucht man als GNP(-Mitglied) dafür?
Dieser Workshop gibt einen Überblick über Historie, Stand und Perspektiven des neuropsychologischen Weiterbildungs- und Versorgungsgebiets.
Freitag 29.10.2021 – 14:00 Uhr
Weiterbildung Klinische Neuropsychologie aktuell
Abstract
484 Weiterbildungskandidat*innen und 159 Weiterbildungsermächtigte bilden die Grundlage der Weiterbildung in Klinischer Neuropsychologie und gestalten Versorgung.
Weiterbildungsrealität ist Versorgungsrealität – und umgekehrt.
Nach der letzten Umfrage 2014 und im Lichte der mit der Psychotherapie-Reform verbundenen Entwicklungen hat der AK Weiterbildung ein Update zur beruflichen Situation, dem Status der Weiterbildung, zu Fragen, Plänen und Wünschen der Kolleg*innen vorgenommen – und wird in diesem Workshop darüber berichten.
Ein zweiter Themenschwerpunkt ist die Großbaustelle „Digitalisierung der Weiterbildung“. Der Wunsch, die Durchführung der Weiterbildung durch eine digital zugängliche GNP-Akademie zu erleichtern und auf einem guten Qualitätsniveau homogener werden zu lassen, beschäftigt uns schon länger, „Corona“ verdanken wir allerdings nützliche Erfahrungen und damit eine Anschubhilfe. Die GNP-Moodle-Akademie nimmt mit dem On-Demand-Programm der Jahrestagung ihre Arbeit auf, das digitale Logbuch, eine Kursübersicht und das Konto für Fortbildungsleistungen sind einsatzbereit. Wir informieren über den Stand des Projekts wie die weitere Planung und freuen uns auf Rückmeldungen.
Samstag 30.10.2021 – 09:00 Uhr
Neuropsychologie à la carte – ambulantes
Arbeiten in einer GKV-Praxis
Abstract
Im Jahr 2012 wurde in der Rehabilitationskette von hirngeschädigten Menschen eine Lücke geschlossen, seitdem ist die ambulante Neuropsychologie eine Kassenleistung. Voraussetzung hierfür ist eine nicht länger als 5 Jahre zurückliegende Hirnschädigung sowie das Vorliegen neuropsychologischer Symptome.
Für mich war dies 2013 der Anlass, nach langjähriger Tätigkeit in der stationären neurologischen Rehabilitation gemeinsam mit zwei Kolleginnen eine Praxisgemeinschaft Neuropsychologie in München zu gründen.
Aufgabe der ambulanten Neuropsychologie ist es nicht nur die Patient*innen durch die Diagnostik und Therapie von kognitiven und emotional-affektiven Störungen zu unterstützen sondern auch in der Krankheitsverarbeitung.
Die Richtlinie ambulante Neuropsychologie hat ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten definiert: Einzel- und Gruppentherapie, Behandlungsmaßnahmen der Restitution, Kompensation und integrative Maßnahmen, neuropsychologische Therapie auch außerhalb der Praxis, Miteinbeziehen des Lebensumfelds (Angehörigenarbeit), Reintegration in das soziale, schulische und berufliche Umfeld. Die Ausrichtung an dem individuellen neuropsychologischen Störungsbild unter Berücksichtigung der prämorbiden Persönlichkeit und den spezifischen Kontextfaktoren machen das ambulante Arbeiten sehr vielseitig.
Wichtigster und zugleich spannendster Zeitraum in der Rehabilitation der hirnverletzten Menschen ist meines Erachtens die berufliche Wiedereingliederung, die Vorbereitung der stufenweisen Wiedereingliederung, die Betreuung währenddessen und danach, Kontakte zu Arbeitgebern und immer häufiger Auseinandersetzungen mit Kostenträgern. Hierfür sind sozialrechtliche Kenntnisse sehr von Vorteil.
Da die ambulante Arbeit ein zentrales Element in der Behandlung der hirnverletzen Patient*innen darstellt, wurde auch in der kürzlich verabschiedeten Musterweiterbildungsordnung Neuropsychologie zwei Jahre praktische Tätigkeit in einer neuropsychologischen Praxis festgeschrieben.
Die Behandlungsmöglichkeiten in der ambulanten Arbeit mit hirngeschädigten Patienten sind wirklich à la carte und meistens „schmeckt“ es den Patient*innen auch.
Samstag 30.10.2021 – 09:00 Uhr
Neuropsychologie und digital gestütztes
Landmark-Training
Abstract
Räumliche Orientierung und damit das eigenständige Zurücklegen von Wegen ist eine wichtige Kompetenz, um Teilhabe und Autonomie im Alltag zu ermöglichen. Derartige räumlich-topographische Störungen können in Folge von Hirnschädigungen auftreten. Ein therapeutischer Ansatz zur Behandlung ist die sogenannte Landmark-basierte Navigation, bei der ein Weg durch eine Reihe von markanten Orientierungspunkten dargestellt wird. Das Ziel dieses Beitrags ist es einen Ansatz für ein Augmented Reality (AR) gestütztes Landmark Training vorzustellen.
Problemstellung:
Patienten mit einer räumlich-topographischen Störung vermeiden es häufig eigenständig Wege zurückzulegen, weil sie Angst haben sich zu verirren. Dafür wird klassischer Weise eine Kombination aus visuellem Explorationstraining und einer Reaktionsverkettung unter Einsatz mnemonischer Strategien eingesetzt. Ein in der Praxis erfolgreicher Ansatz erfordert in der Regel intensive Einzeltherapie über einen längeren Zeitraum.
Lösungsansätze:
Um bei dieser Patientengruppe Wege im Alltag zu trainieren, werden typischerweise gemeinsam von Patient und Therapeut lange Wege in kurze Wegstrecken unterteilt, und das Auffinden und Erkennen relevanter Landmarks geübt. Bei einem digital unterstützten Ansatz gilt es zunächst markante Landmarks zu fotografieren. Die Patienten üben mit einer Fotodokumentation der Landmarks das Memorieren derselben, bevor sie diese in der Realität einsetzen.
Vorteil eines digitalen Landmark-Training mittels einer mobilen Anwendung ist es Landmarks mittels AR Ansätzen hervorzuheben bzw. Hinweise dazu zu geben. Diese können dann im Laufe der Therapie gezielt beeinflusst bzw. gegebenenfalls ausgeschlichen werden. Zum einen ist die Erstellung und Anpassung eines individuellen Landmark-basierten Wegetrainings damit leichter realisierbar. Zum anderen können mittels AR Landmarks und Zusatzinformationen in einer mobilen Anwendung in das Bild der Umgebung eingebettet werden.
Schlussfolgerungen:
Mobile Anwendungen bieten die Möglichkeit ein individuelles Training von Wegen bei räumlich-topographischen Orientierungsstörungen einfach umzusetzen. AR-Elemente ermöglichen es Informationen leichter zu verorten. Zusätzlich kann die Motivation der Patient*innen regelmäßig zu trainieren durch Ansätze aus dem Bereich Gamification gefördert werden.
Samstag 30.10.2021 – 09:30 Uhr
N wie Netzwerker –
Neuropsychologische Versorgungsleistungen
für eine Städteregion
Abstract
N wie Netzwerker!? Die Überschrift wurde mir vorgeschlagen – von außen betrachtet kann man es wohl so sehen, wenn man die Fakten anschaut. Das 19-köpfige Team meiner neuropsychologischen Praxis in Würselen (Kleinstadt vor Aachen) leistet, neben der ambulanten Tätigkeit, Konsiliardienste in 3 verschiedenen Krankenhäusern der Region (Geriatrie, geriatrische Reha, Neurologie, StrokeUnit, Frühreha), einer Neurologischen Rehaklinik sowie einer psychosomatischen Privatklinik. Ein Rückblick ins Jahr 2009 zeigt einen unentschlossenen Psychologen mit halber Promotionsstelle bei Prof. Walter Sturm im Aachener Klinikum und einer halben Stelle in der Klinik für Geriatrie des Würselener Krankenhauses (heute Rhein-Maas-Klinikum). Forschung oder Klinik? Was liegt mir mehr? Die Entscheidung wurde mir leicht gemacht als die Würselener Klinik mir anbot mich „out-zu-sourcen“. Eigene Praxis innerhalb der Klinik – neuropsychologische Konsiliartätigkeit im Krankenhaus mit der Erlaubnis ambulante Patienten ebenfalls im Krankenhaus zu behandeln. Also zuerst noch die Ausbildung zum Klinischen Neuropsychologen (GNP) beenden und dann vielleicht noch die Psychotherapieausbildung (VT) hinterher!? Anfang und Ende der Geschichte sind erläutert. In meinem Vortrag und/oder Video (je nach Pandemielage) auf der GNP Jahrestagung 2021 werde ich erzählen was dazwischen geschah und wie man einen neuropsychologischen Konsiliardienst aufbauen kann. Ich werde über meine Arbeit als Weiterbildungsermächtigter berichten und warum ich auch noch eine Ergotherapie-Praxis eröffnet habe. Natürlich werde ich auch von den „Tiefs“ berichten müssen: Warum mich die Psychotherapeutenkammer NRW nicht als klinischen Neuropsychologen anerkennt und die KVNO mir keinen von 5 freien Sitzen zugeteilt hat, weil in der Städteregion zu wenig Psychoanalytiker niedergelassen sind. Schließlich werde ich über aktuelle Projekte berichten, z.B. die Entwicklung mobiler Neurofeedback-Geräte, mein Engagement im Bereich ADHS und meiner Partizipation am Projekt „Strokecoach“, einem personalisierten Trainingsprogramm mit App sowie persönlichen Coach für Schlaganfallpatienten. Vielleicht doch besser N wie Nerd?!
Samstag 30.10.2021 – 09:30 Uhr
Passion für NEUROpsychology:
Fachberatung hinter den Kulissen
Abstract
In der klinisch-neuropsychologischen Praxis gehören psychologische Tests zum Standardinventar. Der korrekte Einsatz und die Interpretation von Tests sind jedoch nicht trivial. Im Klinikalltag bleibt oft nur wenig Zeit, um sich mit Tests im Detail zu beschäftigen. Als Consultant bei SCHUHFRIED zählt dies jedoch zu meiner Hauptaufgabe. Ich unterstütze NeuropsychologInnen bei der Auswahl und Interpretation von digitalen Tests aus dem Wiener Testsystem (WTS), sei es für die die Arbeit in niedergelassener Praxis, in der Klinik oder für die Forschung.
WTS Tests werden weltweit eingesetzt, in vielen unterschiedlichen Kontexten und Fragestellungen. Entsprechend groß ist die Vielfalt an Anforderungen und Fragen, für die ich meinen fachlichen Hintergrund als Klinischer Psychologe und Gesundheitspsychologe mit spezifischer Weiterbildung im Bereich Neuropsychologie einsetze.
Im Vortrag erhalten Sie einen Blick hinter die Kulissen bei SCHUHFRIED und erfahren mehr über das Aufgabenfeld eines Consultants bei einem internationalen Testanbieter.
Samstag 30.10.2021 – 10:15 Uhr
Neuropsychologie als Entwicklungshilfe – ambulante Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
Abstract
„Überlebt! Aber wie komme ich zurück in die Zukunft?“
So sichtbar und beeindruckend schnell sich junge Menschen von schweren Hirnverletzungen erholen können, so verdeckt und anhaltend leiden sie nach ihrer Rückkehr in den Alltag unter den Folgen. Schon eine verbliebene Verlangsamung kann dazu führen, dass Kinder und Jugendliche mit der Entwicklung ihrer Altersgruppe nicht mehr Schritt halten können – nicht nur schulisch, sondern auch in Bezug auf ihr Verhalten, ihre Gefühle, ihre Interessen.
Das Gehirn ist Motor des Lernens und Lernen Motor der Entwicklung.
So wird die Rehabilitation zum Dreikampf in drei Zeitzonen:
-
verlorene Funktionen, Kompetenzen und Autonomie wieder aufbauen, Lernrückstände aufholen
-
aktuelle Anforderungen von Schule und sonstigem Alltag bewältigen
-
Entwicklungsrisiken – kognitiv, emotional und sozial – entgegen wirken.
Verlorenes wieder aufbauen UND sich weiter entwickeln, stellt nicht nur hohe Anforderungen an die Kinder und Jugendlichen, sondern auch an ihre Bezugspersonen. Eltern sind die wichtigsten Entwicklungshelfer – sind als Eltern von schwer erkrankten, verunfallten, behinderten Kindern aber zugleich Betroffene. Weitere Entwicklungsaufträge haben Kitas, Schulen, Ausbildungsstätten, ferner Berufs- oder Inklusionsbeautragte – und – ggf. – das interdisziplinäre Team der Neuro-Rehabilitation – jeweils nicht zuletzt allesamt auch Vorgaben ihres Systems verpflichtet.
Politisch heißt Entwicklungshilfe heute Entwicklungszusammenarbeit. Hilfe zur Selbsthilfe.
Neuropsychologische Rehabilitation von Kinder und Jugendlichen ist im Idealfall therapeutisch wirksame Entwicklungszusammenarbeit.
Warum und wie – möchten wir gerne aufzeigen.
Samstag 30.10.2021 – 10:15 Uhr
0101 – aber nicht 0815: Neuropsychologische
Therapie im Online-Format
Abstract
Neuropsychologische Therapie online? Das war Ende 2013, als ich meine ambulante neuropsychologische Praxis eröffnet habe, keine reale praktikable Methode und für mich nur als Zukunftsmusik denkbar. Mein Ziel war und ist eine ambulante neuropsychologische Versorgung im Raum Bremen. Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass intensive neuropsychologische Therapie aber nur unter Zuhilfenahme computergestützter – Online-Therapie möglich ist. Dies galt natürlich vor allem für diejenigen Patienten:innen, die hohen (mehrmals wöchentlichen) Therapiebedarf haben, eine weite Anfahrt bewältigen müssen oder keine ambulante Versorgung vor Ort nutzen können. Aber auch wenn Patienten:innen sich nicht in der Lage fühlten, in die Praxis zu kommen, war und ist Online-Therapie eine Möglichkeit, den Therapieprozess kontinuierlich aufrecht zu erhalten. Dabei war Online-Therapie zunächst „nur“ als eine Ergänzung zur Präsenztherapie gedacht, wurde aber durch Corona schlagartig auch als wesentlicher Therapiebaustein notwendig und stellte (meistens nur für eine paar Wochen) eine Alternative zur Präsenztherapie dar.
Der Vortrag gibt einen Überblick über Video- und Onlinetherapie und stellt unseren Kooperationspartner, die E-Health-Plattform Minddistrict sowie die von uns speziell für die neuropsychologische Therapie entwickelten psychoedukativen Module auf dieser Plattform vor. Außerdem werden die Erfahrungen mit all ihren Herausforderungen und Vorteilen mit der Therapieform aus Sicht der Patienten:innen und Therapeuten:innen und die Möglichkeiten eines Online-Selbsthilfeangebotes aufgezeigt.
Samstag 30.10.2021 – 10:45 Uhr
Leben im Gegenwind – Neuropsychologie für
Menschen mit schwerer Hirnschädigung
Abstract
Aus dem Leben: Die therapeutische Wohngruppe „Headwind“.
Mit der Ermutigung durch eine Berufsgenossenschaft, eine Einrichtung aufzubauen, die nach unseren Erfahrungen eine wichtige Lücke in der Versorgung von Menschen mit erworbener Hirnschädigung schließen helfen sollte, gründeten wir 2012 die Wohngruppe „Headwind“. Von Anfang an war es unser erklärtes Ziel, keine Pflegeeinrichtung zu schaffen, sondern eine therapeutische Wohngemeinschaft:
Neuropsychologisch schwerstgradig beeinträchtigte Patienten sollten die nötige Hilfe und Versorgung erhalten, zugleich aber auch unterstützt werden, sich wieder Selbstständigkeit, Alltagskompetenzen und besonders Lebensfreude durch sinnvolle Aufgaben wie durch ein von Respekt und Humor getragenes Miteinander aufzubauen.
Erwerb und Gestaltung eines kleinen „Stadthauses“ in ländlicher Umgebung nahe Dresden und das Überzeugen der Kostenträger vom neuropsychologischen Konzept der Einrichtung gelang relativ gut.
Als wesentlich schwieriger erwies es sich, die Nachbarschaft an das regelmäßige Erscheinen unserer Bewohner in der kleinstädtischen Öffentlichkeit zu gewöhnen. Damit unsere Bewohner „Normalität“ erleben und den Umgang damit wieder erlernen konnten, bedurften nicht nur sie unserer Anleitung und Ermutigung. Heute – nach Jahren – sind unsere Bewohner als Kunden lokaler Geschäfte und als Gäste bestimmter Ferienregionen gern gesehen.
Wo entspricht unsere Arbeit im Einzelfall den typischen Aufgaben der Klinischen Neuropsychologie, wo erfordert sie fachlich wie strategisch neue Verbindungen? Welche Erkenntnisse liefert langjähriges Arbeiten über das sog. „Rehabilitationspotenzial“? Warum ist es einerseits so naheliegend und andererseits so kompliziert, ein solches Versorgungsangebot speziell auch unter neuropsychologischer Verantwortung zu schaffen? Auf diese und mögliche weitere Fragen möchten wir in unserem Beitrag eingehen, Erfahrungen teilen und Pioniergeist wecken.
Samstag 30.10.2021 – 10:45 Uhr
Neuropsychologie in der Entwicklung
von Medizinprodukten
Abstract
„Kannst du hier mal drauf schauen? – Als Neuropsychologe beim Medizinproduktehersteller HASOMED GmbH bin ich zentraler Ansprechpartner für fachliche Fragen. Nach 10 Jahren klinischer Tätigkeit in der neurologischen Rehabilitation bringe ich nun meine Erfahrungen ein, um die PC-gestützte kognitive Therapie voran zu bringen. Als Produktspezialist für RehaCom gibt es hier viel zu tun. Dies reicht von der theoriegeleiteten Konzeption neuer Therapiemodule über die Beratung und Schulung von TherapeutInnen bis hin zur Arbeit an Forschungsprojekten zur Wirksamkeit PC-gestützter Therapien.
Getreu dem Tagungsmotto „Neuropsychologie in allen Facetten“ gebe ich einen Einblick in meine Arbeit als Neuropsychologe außerhalb der klinischen Praxis – interdisziplinär und vielseitig.
Samstag 30.10.2021 – 13:30 Uhr
Sport-Neuropsychologie trifft auf
Kontaktsportarten
Abstract
Ein Besuch des weltberühmten Neuropsychologen George Prigatano (USA) im Jahr 2005 in Würzburg hat den Stein bzw. den Ball ins Rollen gebracht. „Have you never heard about neuropsychologists dealing with concussions in team sports?“, fragte er uns überrascht. Seit Jahren würden ein paar Hundert Sport-Neuropsychologen – für uns ein neuer Begriff – in den USA und Canada als Experten für Kontaktsportarten arbeiten. Das war der Startschuss für etwas wirklich Neues!
15 Jahre später haben wir im deutschsprachigen Raum ein neues Arbeitsfeld erschlossen, eine Fachgesellschaft (GSNP e. V.) gegründet und Hunderte von Sportler gesehen. Die Verwaltungs-BG, uns Neuropsychologen gut bekannt, schätzt unsere Expertise und hat eine große Studie unterstützt, die die Sport-Psychologie im Profisport bekannt gemacht hat. Das ZNS-Kuratorium sorgt sich um Kinder und Jugendliche im Schulsport, die Sporthochschule Köln forscht fleißig, nur der DFB tut sich noch schwer.
Braucht man das überhaupt? Was sind nun die sport-neuropsychologischen Arbeitsfelder? Welche Qualifikationen braucht man? Kann man dabei auch was verdienen? Wie ist die Anerkennung in der Öffentlichkeit?
Als Praktiker und Präsident der GSNP e.V. freue ich mich darauf, diese Themen präsentieren und in den fachlichen Austausch eintreten zu können.
Samstag 30.10.2021 – 13:30 Uhr
Bedeutung und Qualifikationsanforderungen
der Gutachtertätigkeit
Praxis für Neuropsychologie und Verhaltenstherapie
Abstract
Um rechtliche Entscheidungen treffen zu können, bedienen sich die zuständigen Stellen regelhaft fachlicher Expertise durch Gutachten. Wann bei wem mit welcher Qualität begutachtet wird, hat somit zum Beispiel entscheidenden Einfluss auf die Anerkennung und Entschädigung von Unfallfolgen oder den Zugang zu Behandlung. Welche negativen Auswirkungen rechtliche oder fachliche Mängel von Gutachten auf Rehabilitationsverläufe haben kann, begegnet auch den klinisch Tätigen.
Entsprechend dieser Bedeutung gehen die Ansprüche an die Qualifikation Neuro-Psychologische*r Gutachter*innen wesentlich über die üblichen Tätigkeitsprofile Klinischer Neuropsycholog*innen hinaus. Mit der Neuro-Psychologischen Begutachtung als Anwendungsgebiet der Forensischen Neuropsychologie müssen Neuro-Psychologische Gutachter*innen zusätzlich zur neuropsychologischen Befähigung auch über fundierte rechtliche Kenntnisse und über Wissen zu typischen Prozessabläufen bei Gerichten oder Versicherungsträgern verfügen.
Spezifische Fortbildungsangebote für diese Sachverständigentätigkeit leisten nicht nur inhaltlich einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung, sondern bieten zudem die Möglichkeit, den Auftraggebern entsprechende Kompetenzen vorweisen zu können. Die Notwendigkeit spezifischer neuropsychologischer Expertise etwa bei der Anerkennung von Unfallfolgen nach Schädel-Hirn-Trauma hat zwar Eingang in medizinische Leitlinien gefunden, es fehlt jedoch noch an Strukturen für die systematische Einbeziehung neuropsychologischer Zusatzgutachten. Ein Ausbau der Gutachtertätigkeit ist ein wichtiger Beitrag zum Ausbau des neuropsychologischen Versorgungsgebietes.
Samstag 30.10.2021 – 14:00 Uhr
Neuropsychologie bei Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung
Fakultät für Soziale Arbeit
Abstract
Ziel dieses Vortrags ist es auf eine bisher wenig beachtete Zielgruppe der Neuropsychologie, Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (IB) aufmerksam zu machen, und als mögliches neuropsychologisches Arbeitsfeld stärker als bisher in den Fokus zu rücken. Im Rahmen mehrere Forschungskooperationen mit Einrichtungen der Eingliederungshilfe, wie Wohnstätten oder Werkstätten, wurde deutlich wie wenig neuropsychologische Kompetenz, insbesondere wie wenig diagnostische Kompetenz, in diesen Einrichtungen bisher vorhanden ist.
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung leiden häufig unter den gleichen kognitiven Defiziten und Verhaltensauffälligkeiten wie Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen. Dennoch ist die Diagnostik bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung komplexer und anspruchsvoller, da häufig zusätzlich motorische Einschränkungen, Sinnesbeeinträchtigungen, wie Seh-oder Hörbeeinträchtigungen, vorliegen oder fehlende Sprach- bzw. Schriftsprachkompetenz hinzukommen. Um Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung entsprechend zu fördern und gesellschaftliche und berufliche Teilhabe zu ermöglichen, ist eine neuropsychologische Diagnostik eine sinnvolle und notwendige Grundlage. Weiterhin können Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung von neuropsychologischen Interventionen und Therapiemethoden profitieren.
Die Herausforderung neuropsychologischer Diagnostik bei diesem sehr heterogenen Personenkreis wird exemplarische anhand der Demenzdiagnostik mit dem Demenztest für Menschen mit Intelligenzminderung (DTIM) erläutert. Zentral ist dabei eine möglichst barrierearme Gestaltung der Testmaterialien sowie Zeit und Einfühlungsvermögen bei der Untersucherin. Anhand eines Fallbeispiels wird demonstriert, wie neuropsychologisches Wissen zum Verständnis von Verhaltensauffälligkeiten von Menschen mit IB und der adäquaten Reaktion darauf beitragen kann.
Samstag 30.10.2021 – 14:00 Uhr
Fehler in der Begutachtung
Abstract
Gutachten werden oft nicht wegen fachlicher Mängel sondern wegen formaler Fehler in der GA-Erstellung für den Auftraggeber wertlos. In dem interaktiven Vortrag sollen typische formale Fehler wie z.B. Verwechslung von Rechtsgebieten oder einseitige Beschwerdenvalidierungsstrateg
Samstag 30.10.2021 – 14:45 Uhr
Neuropsychologie in der Psychiatrie
Abstract
Das Berufsbild der Neuropsycholog*innen in der neurologischen Akut- oder Rehabilitationsklinik hat Tradition und ist mittlerweile gut etabliert. Aber was macht eigentlich eine Neuropsychologin in der Psychiatrie?
Nach langjähriger wissenschaftlicher und klinischer Tätigkeit in der neurologischen Universitätsklinik Düsseldorf bin ich dieser Frage durch einen Wechsel an die Klinik für Psychische Gesundheit der Universitätsklinik Münster nachgegangen.
Mein Vortrag wird einen Einblick in das Tätigkeitsfeld der Neuropsychologie an einer psychiatrischen Klinik geben. Lange Zeit haben kognitive Beeinträchtigungen im Rahmen psychischer Erkrankungen eine untergeordnete Rolle gespielt, mittlerweile unterstreichen eine Vielzahl von Publikationen das Bestehen und die Relevanz kognitiver Beeinträchtigungen für die Alltagsbewältigung wie für die berufliche und soziale Reintegration der Patient*innen.
Typische Fragestellungen werden im Überblick dargestellt. Danach werde ich versuchen, anhand einzelner Beispiele Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Anwendung neuropsychologischer Diagnostik zwischen Neurologie und Psychiatrie aufzuzeigen.
Samstag 30.10.2021 – 14:45 Uhr
Forensische Begutachtung:
Exekutive Funktonen im Kontext der
forensisch-kriminologischen Wissenschaften
Abstract
Bei den forensisch-kriminologischen Wissenschaften handelt es sich um ein interdisziplinär aufgestelltes Forschungs- und Anwendungsgebiet mit zunehmenden Beiträgen aus den Neuro- und Life-Sciences. Auch neuropsychologische Beiträge gewinnen in diesem Zusammenhang an Bedeutung: Entsprechende Ansätze finden sich z.B. in der Begutachtungsroutine und den deliktpräventiven Therapien.
Insbesondere sind die Konzepte und Methoden zur Erfassung der Exekutivfunktionen für die Beurteilung der Einsichts- wie Steuerungsfähigkeit bedeutsam.
Nach einer Übersicht wird eine quantitative Literaturanalyse zu typischen Operationalisierungen der Exekutivfunktionen in der forensischen Forschung zusammengefasst. Es werden Implikationen für die Modellbildung in Wissenschaft und Praxis diskutiert.
Samstag 30.10.2021 – 15:15 Uhr
Neuropsychologie in der Forensik
Abstract
Neuropsychologische Expertise wird derzeit im Strafrecht wenig angewendet. Bei Fragen der Schuldfähigkeit und der möglichen Zuweisung von Straftätern in die forensische Klinik wird häufiger ein psychologisches Zusatzgutachten zu einem forensisch-psychiatrischen Hauptgutachten erstellt. Auftraggebende Stellen für diese Gutachten sind entweder die Staatsanwaltschaften sowie Amts- und Landgerichte.
Im Rahmen der Behandlung von Straftätern im Maßregelvollzug (teilweise auch im Strafvollzug) wird neuropsychologische Expertise und Diagnostik dann interessant, wenn die Kriminalitätsentwicklung mit einer neurologischen oder psychiatrischen Erkrankung in Zusammenhang steht und durch nicht nur vorübergehende Störungen der Hirnleistung teilweise oder gar überwiegend erklärt werden kann.
Die Aufnahme in einer forensischen Klinik erfolgt ausgehend von den juristischen Eingangsmerkmalen „krankhafte seelische Störung“, „tiefgreifende Bewusstseinsstörung“, „Schwachsinn“ und „Schwere andere seelische Abartigkeit (SASA)“.
Die Anwendung neuropsychologischer Handlungs- und Störungsmodelle erscheint in den folgenden Bereichen sinnvoll:
- „Krankhafte seelische Störung“: Hierunter finden sich hirnorganisch bedingte Leistungsstörungen (erworbene Hirnsubstanzschäden, Folgen von länger andauernden Intoxikationen, degenerative Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie z. B. Demenzen). Bei diesem Eingangsmerkmal ist eine neuropsychologische Diagnostik wertvoll für die Gesamtbewertung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit und deren spätere Behandlung.
- „SASA“: Dieses Eingangsmerkmal umfasst auch Intelligenzminderungen aufgrund von (erworbenen) Hirnschädigungen, die spätestens in der frühen Kindheit einsetzen. Eine Differenzierung der Intelligenz- und Exekutivleistung wird im Grenzbereich zwischen einer leichten und einer mittelgradigen Intelligenzminderung wertvoll.
- Eingangsmerkmal „Schwachsinn“: Dieses Merkmal umfasst per Definition angeborene, nicht organisch bedingte Intelligenzminderungen, so dass eine spezifische neuropsychologische Diagnostik und Therapieplanung selten gefordert ist. In der Regel liegen hier ergotherapeutische Konzepte vor.
Ausgehend vor der Auswirkung der hirnorganischen Beeinträchtigung auf das Verhalten während eines Tatgeschehens kann ein individuelles Störungsmodell entwickelt werden. Die Behandlung der Hirnleistungsstörung kann die deliktorientierte psychotherapeutische Behandlung sinnvoll ergänzen. Dies wird an Fallbeispielen aufgezeigt.
Samstag 30.10.2021 – 15:15 Uhr
Anforderungen an psychotraumatologische
Kausalitätsgutachten aus der Sicht eines
Unfallversicherungsträgers
Abstract
Von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung (UV-Träger) werden jährlich über 2.000 Gutachten auf psychischem Fachgebiet eingeholt, um Leistungs- und Entschädigungsansprüche zu prüfen. Für Sachverständige gelten besondere rechtliche Rahmenbedingungen, damit das Gutachten von den Rechtsanwendern verwertbar ist, insbesondere hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung. Diese Rahmenbedingungen werden dargestellt und erläutert.
Frau Drechsel-Schlund ist Volljuristin und nach einer Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Gießen seit 1991 in der Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege (BGW) tätig, derzeit Geschäftsführerin der Bezirksverwaltung Würzburg. Mit psychischen Folgen von Arbeitsunfällen hat sie sich langjährig und vielfältig auseinander gesetzt, u.a. seit 2009 als Leitung der Arbeitsgruppe „Trauma und Psyche“ der DGUV, als Mitinitiatorin des Psychotherapeuten-Verfahrens der DGUV (2012), als Begleitung diesbzgl. DGUV-Forschungsvorhaben, Autorin und Referentin.
Als Lösung für die Qual der Wahl:
Entscheiden Sie sich während der Tagung ruhig für einen Stream (A oder B). Was Sie nicht live verfolgen können, steht Ihnen als Teilnehmer im Anschluss on demand zur Verfügung. So verpassen Sie nichts – und können weitere Fortbildungspunkte sammeln.
Herzliche Grüße aus der GNP
Laura Dross und Sabine Unverhau